1973 hat das Buch „Stadt: Visuelle Strukturen“ fotografisch und textlich eine Reihe der Themen versammelt, denen sich Johanna Rolshoven als Alltagskulturforscherin mit großer Genauigkeit und Hingabe widmet. Vom Stadtraum und der umkämpften Qualität von Öffentlichkeit, über Alltagsmobilität und die Vieldeutigkeit von Übergängen, bis hin zu weiblichen Überlebenspraktiken und feministischem Heldentum. Eine Triebkraft ist dabei die Arbeit an und mit der politischen Kraft kulturwissenschaftlicher Forschung und Lehre. Die Gespräche über das aus der Reihe tanzende Buch sind Auseinandersetzungen mit Johannas Vorstellungen einer offenen Stadt und Gesellschaft. Bonne anniversaire! https://www.geruchderzeit.org
Export Hendrich: Stadt: Visuelle Strukturen.
Edition Literaturproduzenten
Herausgegeben vom Arbeitskreis österreichischer Literaturproduzenten
Jugend und Volk Wien München 1973
Judith Laister (Graz) fallen die vielen formalen Strukturierungen der Fotografien auf: eine Linie reiht sich an die andere, zusammen schaffen sie einen Stadtraum, in dem es ständig Übergänge braucht. Ihr fehlt die Arbeit „Körperkonfigurationen“, die EXPORT zur selben Zeit beginnt und zu ihren extrovertierten Arbeiten zählt.
In den Augen von Del Barrett (London) zählt VALIE EXPORT zu den „100 Heroines“ der Fotografie. In der Arbeit Gemeindebau entdeckt Del den genauen Blick der Künstlerin, der zwar ein Kästchen ans andere reiht aber den Alltag der Bewohner*innen nicht auf Kleinkariertheit reduziert.
Und wenn in einer dieser Wohnungen die Protagonistin aus Chantal Akermans Film Jeanne Dielman (1975) mit ihrem Sohn gelebt hätte? Işıl Karataş (Wien) erkennt die Küche wieder, in der sich der niederschmetternde Alltag in bedrückenden Meditationen Ausdruck verschafft. Anderer Ort, anderes Medium - gleiche Ausweglosigkeit?
Laila Huber (Salzburg/Graz) blättert vor und zurück, schwankt zwischen Bild und Text und sieht genau in dieser Disorientierung das Anliegen des Buchs: Wie ein dérive entwirft es die gesellschaftlichen Verwerfungen als Wahrnehmungsspaziergang.
Inhalt und Verlag machen Michael Zinganel (Wien) stutzig: Wie geht das eine, die Avantgarde der feministischen Performancekunst mit dem massentauglichen Publikationsorgan für Lehrmittel zusammen? Und überhaupt: Strukturen - was bringt es, Strukturiertes zu dokumentieren, wenn es auch durch Aktionen herausgefordert werden könnte?
1973 veröffentlicht, teils schon früher abgelichtet: Die Fotografien von Wien sind auch historische Quellen und provozieren Erinnerungen. Brigitta Schmidt-Lauber (Wien) erkennt im Grau in Grau der Wiener Fassaden sowohl die tatsächliche Unwirtlichkeit der Stadt, in die sie Ende der 1970er Jahre gezogen ist, als auch die damalige Faszination für deren Fremdheit.
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